Kritik, Polemik, queerer Aktivismus
LesBiSchwule* Kulturtage 19:00 Uhr Universität Göttingen (Zentralcampus, Platz der Göttinger Sieben 5, ZHG 001)
LesBiSchwule* KulturtageIn der medialen Debatte um das Buch „Beissreflexe“ steht dessen „Polemik“, „Diffamierung“ von Queer, „Psychopathologisierung“ und „Angriffe“ auf die Gender Studies im Mittelpunkt. Ein neuer Sarrazin sei erschienen, man spiele den Rechten in die Hände, es sei transfeindlich, rassistisch – ein Fall für den Giftschrank. Einige Akademiker_innen sprechen von „SCHEISSREFLEXE“, einem „Exzess normativer Gewalt“ oder nennen die Herausgeberin einfallsreich „Patsy So La La“. Schon kurz nach Erscheinen des Buches im März ging es dabei vorrangig um die Frage: Pro oder Contra Beissreflexe?
Das Buch wurde zu einer Chiffre – die 27 sehr unterschiedlichen Beiträge und deren Inhalt gerieten in den Hintergrund. Bei weitem nicht jeder Artikel etwa zeichnet sich durch Polemik aus, die Auseinandersetzung mit Gender Studies hat keinen zentralen Platz im Buch und die Artikel sind mit deutlicher emanzipativer Haltung verfasst. Keine Bibel ist erschienen, deren Exegese nun ansteht, sondern ein streitbarer Sammelband. Zum Streit aber fehlt zu häufig die Kenntnis um den Inhalt.
Patsy l‘Amour laLove greift in ihrem Vortrag diese mediale Debatte auf und rückt den Inhalt des Buches wieder in den Mittelpunkt: Queeren Aktivismus und eine emanzipatorische, kritische Sexualpolitik. Sie spürt dem Vorwurf der Polemik nach und stellt zur Diskussion, was polemisches Streiten auszeichnet und wo sich die Polemik in „Beissreflexe“ überhaupt finden lässt. Wie erfolgt eine grundlegende Kritik an der Position, die ein Gegenüber annehmen kann? Kann ein solcher Streit harmonisch geführt werden? Darüber hinaus soll diskutiert werden, was an einem sozialpsychologischen Ansatz derart problematisch sein kann, dass man psychologische Begriffe ad acta zu legen hat. Und liegt hier womöglich ein theoretischer Knackpunkt in der Diskussion: In den unterschiedlichen Ansätzen von Kritischer Theorie und Psychoanalyse bis Diskurstheorie und Poststrukturalismus? Inwiefern läuft eine Diskussion über queeren Aktivismus Gefahr, Koalitionen mit Rechtspopulisten zu schließen? Und schließlich: Gibt es einen Weg, aus dem bloßen Agieren und der Vorwurfshaltung in der Debatte auszusteigen und auf den Inhalt zurückzukommen?